Mit Schaufel, Charme und Trauerflor
Eine vierteilige Doku-Soap rund um die Bestatter-Familie Maury. Die Reihe rückt den Tod auf süffisant-dokumentarische Weise dahin, wo er hingehört: mitten ins Leben, ins Fernsehen.
Um es vorweg zu nehmen: Die Maurys sind eine schrecklich normale Familie: „Der Tod gehört nun mal zum Leben dazu“, sagt Udo Maury. Schon sein Vater hat Leute unter die Erde gebracht. Der Senior-Chef ist ein Multi-Talent: Bestatter, Trauerredner, Tischler und hart kalkulierender Geschäftsmann. „Gestorben wird immer, und unsere Gegend ist völlig überaltert“, sagt er. Maurys bestatten im Wendland, östliches Niedersachsen, an der Elbe. Seit der Wende sind sie auch auf der anderen Seite des Flusses aktiv.
Jedes Jahr sterben eine Million Menschen in Deutschland. Nahezu alle 60 Sekunden wird irgendwo in der Republik ein Bestatter gerufen. Die Branche macht einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro – ein lukratives, aber kein leichtes Geschäft. Maurys bringen pro Jahr 150 Menschen unter die Erde. Die ganze Familie ist dabei. Tochter Jeanette und Heike Maury, die Frau vom Senior, kümmern sich heute schon um die Toten von morgen: Vorsorgeberatung. Schwiegertochter Claudia tippt die Reden und macht die Buchhaltung. Seniorchef Udo liest die Tageszeitung immer von hinten, wegen der Todesanzeigen. Aber er ist kein Kind von Traurigkeit. Udo ist nicht nur Bestatter sondern auch Bürgermeister und Karnevalsprinz. Überall mischt er mit. Auch in der Schützengilde und in der Feuerwehr.
Bestatter in der Provinz: Fast jeden, bei dem der Tod anklopft, kennen die Maurys. Sie wissen genau, was zu wem passt: Eichensarg für Bauer Glüsing, für den Freak von der Landkommune lieber unbehandelte Kiefer. Die Anzeige für Oma Lindow muss unbedingt ein bisschen blumig sein. Bei einer Trauerfeier kann so einiges schief gehen. Falsch bedruckte Schleifen und nur noch eine halbe Stunde bis die Angehörigen kommen. Udo macht das schon. „Mit Schaufel, Charme und Trauerflor“ ist eine quick lebendige Doku-Soap: Der Zuschauer ist dabei, wenn Juniorchef Manuel geschickt mit zwei Leichentragen gleichzeitig durch enge Krankenhausflure manövriert. Aber auch wenn Seniorchef Udo Maury im schwarzen Zorro-Kostüm auf der Karnevalsbühne lauthals „Ein Stern“ zum Besten gibt. Heike und Udo Maury müssen auch schon mal die Enkelkinder aus dem großen Ausstellungssarg holen. Der ist das Lieblinglingsversteck der „Lütten“.
Folge 1: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Folge 2: Gefährliche Leidenschaft
Folge 3: Unter allen Wipfeln ist Ruh
Folge 4: Unkraut vergeht nicht
Pressestimmen
Die Filmemacher können sich bei ihrer realen Variante der US-Bestatter-Saga "Six Feet Under" gewiss sein, pietätvoll mit dem Thema umgegangen zu sein. Es herrscht mitunter zwar ein sehr humoriger Unterton, aber sicher nicht, um sich in irgendeiner Weise über etwas lustig zu machen, über das man sich nun mal nicht lustig machen kann. Sondern sie zeigen dem Betrachter nur überdeutlich, dass es reichlich unsinnig ist, den Gedanken an den Tod krampfhaft aus dem Leben zu verbannen. Und kein Milieu könnte das deutlicher machen, als das eines Bestattungsunternehmens..
Frank Rauscher, teleschau
So ist nach einer gewagten HBO-Serie (fast alle HBO-Serien sind thematisch gewagt) der Tod auf dem Lande fernsehfähig; auch am Anfang der NDR-Produktion welken wie in den US-Episoden die Blumen im Vanitas-Zeitraffer dahin. Man erfährt, dass neuerdings Ökosärge gefragt sind - Fichte nur mit Hartwachsöl - und was ein Ruheforst ist. Bürgermeister Maury, der das weiß, sagt: "Unsere Gegend ist völlig überaltert." Ganz zart liegt Abschied in der Luft..
Süddeutsche Zeitung
Buch und Regie: Till Lehmann
Kamera: Florian Melzer
Ton: Paulo da Silva, Torsten Silbermann
Schnitt: Maren Großmann
Bildbearbeitung und Grafik: Oliver Stammel
Musik: Oliver Heuss
Mischung: Pierre Brand
Sprecher: Till Hagen
Produzenten: Jens Fintelmann, Thomas Seekamp
Produktionsleitung: Eva-Maria Wittke (NDR), Hubert Marady
Redaktion: Barbara Biemann, Verena Formen-Mohr
jeweils 45 Min. NDR 2009